Die Zeit des Nationalsozialismusses
Der Chor, ein Vorbild an Integration. In der Mitgliederauflistung zum Beginn der 30er heißt es zum Jüngling Philipp Müller: Austritt, wegen Stimmbruchs, August 1930. Philipp sang im Alt. Sich so der Jugend zuzuwenden, auf sie einzugehen, spricht für Verständnis und Feingefühl, für den respektvollen Umgang miteinander… Werte, die in diesem Jahrzehnt noch mit Füßen getreten wurden. Philipp Müller stieg später zum Bass auf, er blieb Mitglied bis 1936.
Die Mitgliederzahl stieg kontinuierlich von 29 im Jahre 1930 auf 43 zwei Jahre später. Alle Stimmlagen waren stark besetzt, Tenor und Sopran führten das Klangfeld knapp mehrheitlich an.
Im Jahre 1934 waren es wieder 28 Mitglieder, diesmal mit einem deutlichen Übergewicht der Bassstimmen (9). Die Anzahl der Mitglieder schwankte bis zur letzten Protokolleintragung nur unwesentlich.
Bereits 1932 deutete sich ein Umschwung an. Die Polarisierung, u. a. zwischen Deutsch- und Gottgläubigen, einhergehend mit der Radikalisierung großer Teile der Bevölkerung machten auch vor dem Westerwald und der einzelnen schreibenden Hand nicht halt. Es ist die Ausdrucksweise in der Schriftführung, die heute auffällt. Aus „Gehen“ wurde „Marschieren“, von „schneidigen Klängen“ ist die Rede direkt nach dem Hochamt am 18.09.1932 auf dem Weg nach Burglahr.
Nachdenklich stimmt auch, dass im Protokoll zur Jahreshauptversammlung 1933 (10.01.1033) von 29 Mitglieder acht Personen namentlich mit „ausgetreten am …“ markiert sind. Eine Einmaligkeit in der Protokollführung bis heute.
Zwei Ereignisse im Jahre 1933 sollen hier erwähnt werden, die als Bollwerk sozusagen, dem damaligen politischen Zeitgeist entgegengestellt wurden. Es sind feierliche Grundsteinlegungen.
Zum einen ist es die Filialkapelle Maria Heimsuchung in Strauscheid. Die Sängerscharen aus den beiden Kirchenchören Fernthal und Neustadt sangen zum nachmittäglichen Baubeginn am 17.04.1933 vier Lieder. Zeitzeugen versichern langanhaltenden Beifall und … einen zufriedenen Bauleiter. Die Grundsteinlegung der Herz Jesu Kapelle in Rahms fand am 11.06.1933 statt. Protokolliert ist, dass der Fernthaler Kirchenchor wesentlich zur Verschönerung des Festes beigetragen hat.
1935 wurde den Kirchenchören regierungsseitig ein Versammlungsverbot auferlegt oder eine Zwangsauflösung angedroht. Der sonst übliche Festzug zum Bezirksfest der Dekanatschöre, veranstaltet vom Fernthaler Kirchenchor am 04.08.1935, fand schon nicht mehr statt. Der damalige Cäcilienverband fand zwar Wege, dieses Verbot, übrigens begründet mit „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ (Protokoll vom 04.08.1935), zu umgehen, konnte aber Verbote und Auflösungen nicht durchgehend verhindern.
1937 dann die letzte Generalversammlung. Zusammen mit einer kleinen Feier zum 15-jährigen Bestehen des Kirchenchores Cäcilia Fernthal 1922 trafen sich die Mitglieder des Chores mit der Geistlichkeit am 19. September 1937.
Ab Mitte der 30er Jahre bis zur Einstellung des chorischen Wirkens Ende 1937 sang der Kirchenchor seine Lieder ausschließlich in Gotteshäusern bei kirchlichen Festen und bei Sängerfesten oder privaten Veranstaltungen in geschlossenen Gesellschaften.
Mit einer äußerst kurz gefassten Eintragung des Schriftführers Peter Müller ins Chronikbuch Nr. 1 am 19.09.1937 zum Cäcilienfest in Vettelschoß endet die 30er-Jahre-Dokumentation zum Kirchenchor.
Danach war Schluss, alle offiziellen Choraktivitäten erstarben. Weiter ging’s in inneren Zirkeln, getragen von älteren Mitgliedern bzw. sangesfreudigen Frauen und Kaplänen). Ein Vereinsleben, so wie seit 1922 praktiziert, fand nicht mehr statt.
Das Fünfzehnjährige wurde in kleinem Kreis noch am 14.03.1937 gefeiert. In Kicks Mattes Wirtschaft trafen sich die Mutigen „Bei Kaffee, Kuchen und Torten sowie Vortrag von Liedern und launigen Versen …“, wie es in den Analen heißt.
Ein Chor, gegründet in schwerer Zeit, unterbrach sein Wirken in noch schwererer Zeit, hielt seine Werte hoch, löste sich nicht, wie von der Administration gefordert auf, lebte weiter von den Erinnerungen aus anderthalb Dekaden intensiven Chorlebens und drückte, traurig gestimmt, ohne großes Aufsehen die Ruhemodus-Taste.
Aus der durch die Nationalsozialisten aufgelösten Töchterschule der Franziskanerinnen in Linz erstand Fernthal für 1.800 Reichsmark eine Orgel. Eingesegnet am 26.Mai 1938, war das für den Chor ein passender Anlass für ein unauffälliges Zwischenspiel.
Vielen Kirchenchören ging’s ähnlich. Fünfzehnjährige zusammen mit ihren Vätern und älteren Brüdern wurden an die Todesfronten geschickt, Fundamente für sinnvolles Chorarbeiten fanden keinen Halt mehr, Kriegsgeschrei und Propaganda übertönten lauthals harmonische und besonnene Klänge.
Eine unheilige Zeit. Geplant waren tausend Jahre. Meereswogen aus Leid, Blut und Tränen bestimmten bis 1945 den Tidenhub.