Die Nachkriegs- und Aufbaujahre
Gott sei gedankt! Die tausend Jahre endeten bereits nach dem ersten Dutzend.
An die Sage von Dreischläg sei hier erinnert. Zugrunde liegt ihr Geschichtliches aus dem Jahr 1632 des Dreißigjährigen Krieges. Bei Hans Lahr heißt es in seiner Nacherzählung der Dreischläger-Sage: „….Als der neue Morgen sich zu erhellen begann, fassten sich die Mutigen ein Herz, um zu erkunden …“ Mehr als 300 Jahre liegen dazwischen und … hat sich was verändert?
Alois Krufts dokumentierende Hand zum Geschehen im Kirchenchor – nennen wir ihn vorerst einfach so und verzichten, dieser Zeit angepasst, auf das Formale – läutete nach Dreischläger Art und der erzwungenen, mehr als zehnjährigen „Stille“, zum Aufbruch. Seinen zusammenfassenden Bericht schreibt er im Sommer 1946 und beginnt mit dem Satz: „Das sogenannte ewige Reich versank in der Hölle des von ihm entfesselten zweiten Weltkrieges“.
Bei aller Trauer, Verzweiflung und Not war Lebensmut und klarer Verstand gefragt. Bevölkerung, Institutionen, Familien, Gruppen, Kirchenchöre, sie alle kamen aus derselben Zeit, alle waren betroffen. Ein Leichtes, die materiellen Schäden zu erfassen. Im Verlustverzeichnis des Kirchenchores sind die durch Artilleriebeschuss zerstörte Orgel, die im Krieg requirierten Kirchenglocken und ein Teil der Noten aufgeführt. Alles ersetzbar. Irgendwie.
Kein Maß dagegen für das unfassbare menschliche Leid. Nach dem Zusammenbruch kehrten zwar Mitglieder, teilweise nach langjähriger Gefangenschaft, ins Dreischläger Land zurück, ihre Erlebnisse hatten sie verändert, andere Menschen. Johann Reuschenbach, Peter und Josef Reuter und Hermann Weber kehrten nicht zurück. Familien verzweifelten, zerbrachen. Verwirrung war ein häufiger Begleiter. Rückbesinnung auf das was immer gilt, griff um sich. Eine Auf- und Umbruchzeit folgte.
Hauptlehrer Jakob Junglas, bis Mai 1946 in amerikanischer Gefangenschaft, erklärte sich bereit, die zwischenzeitlich auf 44 Personen (21 Frauen, 23 Männer) angewachsene Singrunde musikalisch und chorisch zu leiten. Bereits zu Weihnachten konnten die Gottesdienste mit mehrstimmigen Liedern ausgeschmückt werden.
Ab Ostern 1947 sang der Kirchenchor wieder mehrstimmig an allen hohen Festtagen. Die Gesänge waren tragend, berührten tief und überdeckten für kurze Zeit den Alltag in der von vielen Gefühlen bestimmten Nachkriegszeit, verzeichnen die Analen.
Im Juni 1947 freuten sich die Mitglieder des Chores mit dem Kirchkreis Neustadt-Fernthal auf ihr Fünfundzwanzigjähriges. Das zu feiern, war ihnen allen wichtig. Eine Familienfeier kam da sehr gelegen. Familie und Chor luden ein und sie kamen: Die Geistlichkeit, alle Vertreter der eingeladenen weltlichen Behörden, die Lehrpersonen der Schule Fernthal, Vertreter der Kirchenchöre Neustadt, Strauscheid und Roßbach und viel Dorfesvolk von de Hüh als auch us dem Tahl. Roßbach übergab als Festgeschenk die vierstimmige Messe von Christoph Bernhardi (1622-1707, dt. Komponist). Bei dieser Feier zeigte sich, so der Chronist, das übergroße Interesse der Bevölkerung am Kirchenchor. Zeitweise sangen mehr als 50 Stimmen im Chor. Die Proben waren durchgehend gut besucht.
Sicherlich wirkten auch andere, die Gemeinschaft und das Leben in Freiheit fördernden Kräfte mit, Lebensqualität wieder einschätzen zu können.
Neben den kirchlichen Festtagen bereicherten Familienfeiern, Schulfeste, Muttertage(!), Ausflüge und Theaterveranstaltungen das Chorleben. Gerne wurden diese Anlässe zum Anlass genommen, um den Kirchenchor in dem Geiste wiederzubeleben, wie er seinerzeit zur Ehre Gottes gegründet wurde.
In Zeiten der Not hilft Gemeinsinn und Liebe, helfen Menschen, die Fordern verstehen und auch noch erklären können, was sinnvoll zu tun ist: Im Kirchenchor praktiziert. Nachkriegszeit eben.
Ein Jahrzehnt, das mit Neubeginn und Generationswechsel am besten umschrieben werden kann, folgte: Die 50er-Jahre.
Vorstand, Kassenwart und Schriftführung waren von 21 Frauen und 23 Männern neu ernannt worden. Die Zeit hatte Tugenden und lohnende Ideen nach oben geschwemmt, ihr Stellenwert stand hoch im Kurs. Im Chor lief es.
Dann die Nachricht: Hauptlehrer Junglas wird versetzt. Liebgewonnen hatten sie ihn, ist dokumentiert.
Und so erklangen zur Abschiedsfeier am 26. August 1951 seine Lieder in besonderem Tone. Er, der seit 6 Jahren die Singgemeinschaft auf ein hohes sängerisches Niveau gebracht hatte, verabschiedete sich bewegt und wünschte dem Chor, nach Überreichung des Bildgeschenks „Die Kirche zu Fernthal“, denselben Sangeseifer zur Ehre Gottes und der himmlischen Mutter unter deren Schutz die Kirche in Fernthal steht und erhalten wird.
Josef Hoppen, Nachbar von Junglas` Wirkungsstätte an der Volksschule Fernthal, gerade heimgekehrt – die Kapitulationsnachricht traf ihn in der Nähe Hamburgs und sofort machte er sich auf, ging zu Fuß durch ein zerstörtes Land und fand sein Heim in der französischen Besatzungszone unversehrt vor – trat 1946 dem Kirchenchor bei und sang im Tenor. Musik lag ihm, im Erbgut verankert. Großvater und Vater als Vorbild und durch sie geformt – beide spielten in ihren Kirchen Strauscheid und Fernthal Orgel – nahm sich J. Junglas seiner in den Kinderjahren an und förderten Josefs Talent. Sein Musikempfinden, seine Geduld waren es wohl, die den Chor, angestoßen von Mentor Junglas, mutig fragen ließen: „Josef, kannst du uns als Chor leiten?“ Josef Hoppen nahm an und ab dem 01.09.1951 hatte der Kirchenchor Cäcilia Fernthal 1922 einen neuen Chorleiter. Erleichterung, auch über die Chorgrenzen hinaus.
In Roßbach traten sie zum 1. öffentlichen Auftritt gemeinsam am 17.09.1951 an. Tenor Josef Müller heiratete Hilde Kötting, sein 1. Dirigat und das in einem Brautamt. Ein rundum gelungener Start. Und Josef hielt durch. Wir alle wissen es heute.
Das Allerheiligen-, Cäcilien- und Weihnachtsfest konnten wieder in der gewohnten Weise würdig in der Heimatkirche gefeiert werden und im Außenauftritt während des Ausfluges am 17.05.1952 bewährte sich der neue Chorleiter bestens, ist durch Protokollant Alois Kruft verbrieft.
Der nachfolgende Zeitungsausschnitt (Rheinzeitung RZ, 22.11.1953) unterstreicht die Schriftführer-Beurteilung.
Theateraufführungen mit Liedeinlagen. Der Chor wagte sich und … es brachte Einnahmen. Die Mitglieder des Chores waren sich schnell einig: Der Reinerlös geht auf das Orgelkonto.
Am 15. August 1954 wurde die neue Orgel eingeweiht. Am Spieltisch der „Königin der Instrumente“ mit 12 Register zwei Organisten: Josef Hoppen und der Organist der Kirche St. Josef in Koblenz. Zwei Kirchenchöre auf der Empore: Kirchenchöre Neustadt und Fernthal. Bereits zur Hälfte über das Orgelkonto bezahlt, ertönten Kirmesklänge wie sie schon lange nicht mehr zu hören waren.
Am Ende des Jahrzehntes pendelte sich die Mitgliederzahl bei einem Tiefstwert von 25 Personen auf knapp 30 Personen ein.
Der Wechsel im Vorstand erfolgte aus Gründen der Gesundheit und hoher Berufsbelastungen.
Das Liedgut war mehrheitlich liturgisch bestimmt. Lediglich bei den nachweislich dokumentierten fünf Ausflüge und 9 Theatervorstellung taucht der Hinweis auf „weltliche Klänge auf.